23.1.1968.

Ulrich von Beckerath,

1 Berlin 19, Neidenburger Allee 14, bei Bloesz

 

Ihr Brief vom 20. cr.,

eingegangen vorgestern.

 

Lieber Herr Rittershausen,

 

seit Wochen werde ich von einer Schlafsucht geplagt, mit der ich kaum noch fertig werde, vielleicht nur Altersschwaeche (Jahrgang 1882), vielleicht auch sonst noch was. Heute nur eine kurze und provisorische Antwort.

 

Dass sich bei Ihnen die gleiche Krankheit gezeigt hat wie bei mir im Maerz 1967 ist nicht nur fuer Sie persoenlich schlimm oder schlimm gewesen, da Sie dadurch doch zum mindesten viel wertvolle und unersetzliche Zeit verloren haben. unersetzliche Zeit - - was das bedeuten kann, bemerkt man so recht erst im hoeheren Alter.

 

Ich hatte im Stillen gehofft, dass Sie - - nachdem Sie ihre Freiheit wiedergewonnen haben - - die Abwertungs-Schafskoepfe mal so richtig beim Wickel kriegen wuerden, denn - - wer soll dos sonst tun???????

Sie sind der Einzige.

Ich habe wieder mal Ihr in der Fachliteratur einzig dastehendes Buch ueber die Notenbanken zur Hand genommen, speziell die Kapitel ueber das Gold. Das hat seit 40 Jahren kein zur Fachwelt Gehoerender gesagt. Sie brauchten nur - - unter Bezugnahme auf Ihr Buch - - etwas deutlicher zu werden, und der Porzellanturm, in den sich die Zwangskurs-Papiergeld-Fanatiker zurueckgezogen haben, faellt zusammen. Dumm zu sein und folgerichtig fanatisch, ist ein allgemeines Menschenrecht. Man kann dabei immer noch ein achtenswerter Schuster sein, vielleicht sogar ein Vorarbeiter eines Hafenarbeiter-Teams. Aber wenn man da steht, wo der Wilson steht, dann hat man nicht das Recht saudumm zu sein und tierisch-fanatisch. Frueher gab es in England und in Deutschland so eine Art literarischen Wohlfahrts-Ausschuss, der solche Tyrannen literarisch hinrichtete. Anscheinend gibt es ihn nicht mehr.

 

Die Waehrung von der "Zahlungs-Bilanz" abhaengig machen, das geht. Hitler machte seine Entschluesse vom Stand der Planeten abhaengig. Aber ein bisschen Aufklaerung,und die Abhaengigkeit verschwindet - - theoretisch und praktisch.

Aufklaerung!

 

Goldwaehrung! Nicht durch Goldschatz, sondern dadurch, dass die Laeden und andere Geldumsatzstellen die Erlaubnis kriegen, ihre Preise in Gold festzusetzen und das in den Schaufenstern anzeigen. Weitere Erlaubnis, Arbeitsvertraege auf Goldmuenzenwert umzustellen. Weitere Erlaubnis: Warenhaeuser und Ladengemeinschaften duerfen den Arbeitgebern Darlehen in Gutscheinen gewaehren, die in den Laeden nach dem Nennwert ((in Goldmuenzen (Sovereign)) wie Goldmuenzen angenommen werden. Sicherheit der Laeden und der Ladengemeinschaften: Eigenwechsel der Arbeitgeber, auf denen aber gedruckt oder geschrieben steht: Nur zur Verrechnung. Die Wechsel koennten ausserdem noch typisiert sein.

 

(Anm. von J.Z.: Die Unterstreichungen sind hier von Prof. Rittershausen angebracht und beweisen, dass er im Wesentlichen noch mit B. uebereinstimmte.)

 

Der typisierte Eigenwechsel, als Verrechnungswechsel ausgestattet, ist das, was der Weltwirtschaft bisher gefehlt hat. Formell sind solche Verpflichtungsscheine keine Wechsel mehr im Sinne der Wechselordnungen, einschl. der internationalen. Ein Federstrich des Gesetzgebers, und die Erlaubnis, sie als Zahlungsmittel (ohne Annahmezwang - - ausser gegenueber dem Emittenten - -) zu gebrauchen, ist gegeben.

 

Abgesehen vom Par. 14 des Bundesbankgesetzes (Notenmonopol) waere in Deutschland die Erlaubnis von typisierten Verrechnungswechseln durch den Par. 795 BGB gegeben.

 

I.) "Im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, duerfen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden, so weit nicht Ausnahmen zugelassen sind. Das Naehere bestimmt ein Bundesgesetz.

 

II.) Eine ohne die erforderliche, staatliche Genehmigung in den Verkehr gebrachte Schuldforderung ist nichtig; der Aussteller hat dem Inhaber den durch die Ausgabe verursachten Schaden zu ersetzen."

 

(Anm. von J.Z.: Unterstreichung hier durch U.v.B.!)

 

Also: Wenn keine Bareinloesung versprochen wird, so ist keine staatliche Genehmigung erforderlich.   (Anm. von J.Z. : Unterstreichung hier durch H. R.) Die Reichsgerichtsentscheidung im November 1923, wonach Verrechnung eine Art der Zahlung ist, steht der Nicht-Anwendung des Par. 795 nicht im Wege. Ich brauche das wohl nicht auszufuehren. Allenfalls steht in Deutschland das von Schacht erlassene Gesetz im Wege, (1934, "Gesetz gegen den Missbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs") das aber hoffentlich als Nazigesetz mitsamt dem Nazismus beseitigt ist.

 

Ich vermute, dass eine Bestimmung wie die des Par. 795 mal international gegolten, hat.

 

Vielleicht steht sie schon im Code Napoleon oder gar auch im Preussischen Landrecht. Gewiss ist, dass sie in der Belgischen Gesetzgebung enthalten ist. Das habe ich aus dem Bericht der Belgischen Regierung ueber den internationalen Waehrungskongress von 1878 in Bruessel. Der Bericht war ein ganz dicker Band und enthielt saemtliche Waehrungsgesetze der Welt. (Verbrannt.)

Von Belgien hat Preussen s.Zt. auch die Verfassung uebernommen.

 

Aussenhandel. Typisierte Verrechnungswechsel, wenn sie durch ein grosses Warenhaus oder durch eine Ladengemeinschaft als von ihr "akzeptiertes" Zahlungsmittel garantiert sind, die koennen im Aussenhandel wie Goldmuenzen verwendet werden. Englisches Gesetz (zu erlassen): Im Aussenhandel entstandene Schulden koennen durch typisierte Verrechnungs-Wechsel bezahlt werde, wenn sie, wie vorstehend angedeutet, garantiert sind. Typisierte Verrechnungswechsel sind oekonomisch und meiner Meinung nach sogar juristisch das Gleiche, wie die Einkaufsscheine Milhaud's. (War ein sehr bedeutender Mann, dieser Milhaud. Lebt er noch?????)

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Erhoehung des Goldpreises kaeme fuer England nicht mehr in Frage. Besitzer von Goldbarren tragen die Barren zur Muenze und lassen sie in Sovereigns umpraegen. Die englische Muenze macht das gratis nach einem viele Jahrzehnte alten, noch nicht aufgehobenen Gesetz.

 

Fuer sehr wichtig halte ich es, dass der englische Fiskus den Steuerpflichtigen erlaubt, ihre Steuern durch "Einkaufsscheine" nach vorstehend angedeutetem Muster zu bezahlen - - vielleicht mit einer Erhoehung von 10%. Bezieher von Bargeld, wie Lohnempfaenger, Rentner u. dgl. sind von dieser Verguenstigung selbstverstaendlich ausgeschlossen. Wenige Wochen noch der Einfuehrung dieser Art von Steuerzahlung sind die englischen Finanzen in Ordnung und nach der Zahlungsbilanz fragt niemand mehr. Kostet alles keinen Penny, nur einige neue Gesetze und fuer die Anhaenger Wilsons die Selbsterkenntnisse, dass sie Rindviecher waren.

 

Ich muss diesen Brief vorzeitig beendigen, weil ich moechte, dass er noch heute vom Nachtbriefkasten abgeholt wird.

 

Sonnabend oder Sonntag hoffe ich fortfahren zu koennen. Wenn es mir gelingt, so habe ich Ihnen noch viel mitzuteilen. *

 

Mit bestem Gruss

gez.

U.v. Beckerath.

 

(*) U.v.Beckerath starb am 28.2.1969.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 4182-4183.